Wurmkompost im Garten

von Florian Amlinger

Wir Garten-Kulturschaffende möchten das Wunder der Entstehung eines fruchtbaren Bodens verstehen und fördern. Pflanzliches Leben erschließt dabei im Verein mit dem die Wurzel umgebenden Mikrobiom den „toten“ Mineralboden. Durch die Rückgabe der über den Jahreslauf absterbenden Pflanzenteile liefert es dann die Rohstoffe zur Bildung der Ton-Humusaggregate. Und das alles geschieht in einem großen Atmungsvorgang im Wesentlichen in den obersten 10 bis 40 cm unserer Erdkruste!

Der Wurm

Von den ca. 40 in Mitteleuropa tätigen Regenwurmarten hat sich eine darauf besonnen, nicht Böden bis zu einer Tiefe von mehreren Metern umzugraben, sondern relativ frische Pflanzenstreu oder Stallmist in Kooperation mit Milben, Springschwänzen, Asseln und vielen weiteren Streubewohnern zu seiner Lieblingsspeise zu erwählen. Erkennbar sind diese Spezialisten des Misthaufens an ihrer kräftig roten Pigmentierung, weshalb sie im ländlichen Volksmund als „roter Mistwurm“ bekannt und beliebt sind. Zoologisch gesprochen handelt es sich um Eisenia fetida, den Kompostwurm. Er ist kleiner und schlanker als viele seiner im Acker- und Wiesenboden lebenden Familiengenossen und fühlt sich am wohlsten bei Temperaturen zwischen 20 und 25 °C. Ein einzelnes geschlechtsreifes Tier kann bis zu 300 Nachkommen pro Jahr produzieren. Ein vollbesetzter Kubikmeter Wurmkompost besteht zu etwa 6 Gewichtsprozent aus dem Mistwurm, das entspricht ca. 50 bis 70 kg.

Wesentliche Kriterien für eine Wurm-Kompostierung im Garten sind:

  • Größe und Raumstruktur, bestehende Zonierung des Gartens
  • Tatsächlicher Platz nach Ort und Größe, der für die Kompostierung zur Verfügung steht
  • Nachbarschaft
  • Anzahl Personen des/der Haushalte und damit die Menge der täglich anfallenden Küchenabfälle
  • Zier- oder Gemüsegarten
  • Zeit und Freude an handwerklicher Arbeit mit dem Kompost

Beengte Platzverhältnisse, Überschuss an Küchenabfällen und ein begrenztes Zeitbudget für die Kompostpflege führen uns zu der hier vorgestellten einfachen Wurmkompostierung.

Wie funktioniert eine einfache, arbeitsextensive und platzsparende Wurmkompostierung im Garten?

Kurz zur Erinnerung: Humus und damit Kompost entsteht nur, wenn ausreichend frische Luft, das heißt Sauerstoff zur Verfügung steht – und das in einem feuchten, ja nahezu wässrigen Milieu! Bakterien nehmen Sauerstoff nicht aus der Luft, sondern aus dem Bio-Wasserfilm auf. Das gilt auch für das Mikrobiom im Verdauungsschlauch unseres Kompostwurms. Das heißt, ob Wurm, Bakterium oder Pilz, schön feucht möchte er es, und das immer.

Bei täglichem bis dreitägigem Umsetzen und optimaler Mischung (siehe unten), kann man in der traditionellen Kompostierung binnen sechs bis acht Wochen bereits einen schönen krümeligen, reifen Kompost herstellen. Wenn Platz und Arbeitskraft oder –wille zum knappen Gut werden, bietet die Wurmkompostierung eine erstaunlich simple Lösung. Obendrein bewältigen die Würmer auch einen Überschuss an Küchenabfällen in kleinen Gärten.

Hier die praktische Anleitung:

Standort und Ausstattung: ein einfaches Kompostsilo aus Holz (80 x 80 cm bis 120 x 120 cm), bei dem die Holzbretter an der Vorderfront leicht entnommen werden können. Seiten und Rückwand können aus Ziegelsteinen oder Rundholz konstruiert sein. Wichtig ist, dass die Wandflächen 10 bis 30 % Luftspalten oder -schlitze aufweisen. Die Wurmkompostierung sollte auf offenem Mutterboden eingerichtet werden, damit die Würmer die Möglichkeit haben, sich im Winter oder falls es zu trocken werden sollte, in die Erde unterhalb des Kompostes zurückzuziehen. Handelsübliche Komposter aus Kunststoff, deren Vorderfront nicht leicht geöffnet oder ausgeklappt werden können, sind ungeeignet.

Wenn möglich, sollte ein schattiger, gut zugänglicher Platz für die Wurmkompostierung gewählt werden. Pralle Sonne ist zu meiden. In Anbetracht dessen, dass man die Wurmfamilie im Schnitt zwei Mal pro Woche mit den Bioabfällen aus der Küche füttert, befindet sich der Wurmkompost in Zone 2 des Permakulturgartens. Das heißt er ist einerseits mit 20 Schritten erreichbar und doch etwas durch Büsche und Baumkronen geschützt und dem direkten Anblick vom sommerlichen Jausenplatz (Anmerkung der Redaktion: Brotzeitplatz) verborgen

Bewässerung: Wie erwähnt – Wasser ist das Elixier der mikrobiellen und Wurm-Lebenswelt. Daher sollte ein Wasseranschluss in nicht allzu weiter Entfernung sein, um jederzeit mit Gießkanne oder Gartenschlauch bewässern zu können

Abdeckung: Das Kompostmaterial sollte immer mit einem Kompostvlies oder mit Jutesäcken, einer ein Zentimeter starken Hanfmatte, einem alten Kokosteppich oder Ähnlichem abgedeckt werden, um Austrocknung und zu starke Vernässung bei längerem Regen zu vermeiden. Wer von Regen und Sonne weitgehend unbeeinflusst bleiben will versieht sein „Wurmkomposthaus“ noch mit einem Dach, das möglichst leicht aufgeklappt oder abgenommen werden kann.

Materialien, die ich zum Abmischen bereithalte: Unsere Würmer brauchen eine ausgewogene Ernährung. Küchenabfälle und im Sommer frisches Gras und gejätetes Beikraut fallen regelmäßig, meist alle zwei bis vier Tage an. Um Fäulnis, die bei Eiweiß (Stickstoff-)-Überschuss auftreten kann, zu vermeiden, braucht es als Ergänzung zu jeder „Gemüsegabe“ etwas gehäckselten, holzigen Strauchschnitt, Stroh oder Laub.

Stabile Humuskomplexe sind eine kolloidale Verbindung zwischen organischen (aromatischen) Kohlenstoffverbindungen und Ton und daran anhaftenden Mineralstoffen wie Kalzium, Magnesium, Kalium, Natrium etc. Das heißt, es braucht für die Humusbildung und  -erhaltung und damit für eine erfolgreiche Kompostierung auch die mineralische, insbesondere die Ton-Komponente. Um dies zu gewährleisten braucht der Kompostplatz entweder einen Haufen tonhaltiger Erde oder Lehm aus einer Lehmgrube. Das meist als Bentonit in 25 kg Säcken im Handel erhältliche Tonmehl kann als Ersatz dienen, wenn tonhaltiger Erde oder Lehm nicht verfügbar sind. Es muss trocken aufbewahrt werden, weil es sonst verklebt und verklumpt und nicht mehr gleichmäßig auf den Kompost verteilt werden kann. Ich empfehle, das Bentonit in einem Kübel mit Deckel gleich neben die Wurmkompostanlage zu stellen und wie Puderzucker über die frischen Küchenabfälle zu streuen. Um den Mineralstoffanteil  für die Humuskomplexierung zu harmonisieren, braucht es noch Gesteinsmehl, wobei in Gegenden mit kalkarmen Böden ein Dolomitmehl, bei kalkhaltigen Boden ein Diabas- bzw. Basaltmehl mit einem höheren Kieselanteil sinnvoll ist. Auch dieses streut man nun – etwas großzügiger als Bentonit – über jede Gabe frischer Materialien.

Die Befüllung: Am Boden des noch jungfräulichen Wurmkompostplatzes geben wir eine bunte Mischung aus gehäckseltem Baum- und Strauchschnitt, Laub, altem Heu oder Stroh und altem oder halbreifen Kompost. Diese Schicht sollte etwa zehn Zentimeter betragen. Eingeweichte Kartonfetzen, etwas Pferdemist, falls verfügbar, und etwas Gesteinsmehl können auch nicht schaden. Dann kommen 500 – 1000 Kompostwürmer dazu, die man entweder bei Wurmkompostfarmen bestellt oder von einer befreundeten Wurmkompostmeisterin geschenkt bekommt. Darüber kann man nun gleich die erste Gabe Küchenabfälle verteilen, bestreut mit Gesteinsmehl und Bentonit oder lehmiger Erde und bedeckt wieder mit Häckselgut.

Ab jetzt leben die Würmer in einer Schicht zwischen 5 und 25 cm unterhalb der Abdeckung und arbeiten die frischen Materialein zügig durch. Die Zugabe der Küchenabfälle erfolgt in dünnen Schichten. Gemüse- und Obstabfälle wie Orangen-, Grapefruit- und Bananenschalen, Kohlstrünke und großblättrige Gemüsereste sollten bereits in der Küche auf circa drei Zentimeter große Stücke zerkleinert werden. Das erhöht die Oberfläche, die von Bakterien und Pilzen zur Vorverdauung besiedelt werden. Umso zügiger können dann auch die Würmer zuschlagen und Fäulnisprozesse werden hintangehalten.

Küchenabfälle sollen möglichst frisch sein. Verschimmeltes, faulig stinkende Essensreste werden auch von den Würmern vermieden, führen auch bei größeren Mengen am Kompostplatz zu wenig erfreulichen Geruchsausdünstungen. Also den Biokübel möglichst alle zwei bis drei Tage entleeren.

Da das “Gedeihen“ unseres Wurmkompostorganismus auf unsere Sorge und Pflege angewiesen ist, sollten wir bei Gelegenheit, ca. alle zwei bis drei Wochen einmal mit einer Harke, einer Grab- oder einer Mistgabel die obersten 20 bis 30 cm durchmischen, um zu sehen wie es der Wurmpopulation geht, ggf. an den Rändern ausgetrocknete Partien in das feuchte Zentrum zu befördern und zu ermitteln, ab welcher Schicht sich bereits gut durchgearbeiteter Kompost befindet. Mit dieser Maßnahme ist der mechanischen Belüftung also dem Umsetzen bereits Genüge getan. Vollständig durchgemischt wird, wenn wir den Wurmkompost zwei bis drei Mal im Jahr „ernten“.

Das Besondere ist nun, dass bei gutem Wurmbesatz und guter Abmischung von den zerkleinerten Gemüseresten bereits nach drei Wochen fast nichts mehr zu sehen ist. Durch diese rasche Umwandlung der frischen organischen Materialien werden Fäulnis und Geruchsbildung unterbunden.

Die Ernte: Hierzu entnehmen wir die Bretter der Vorderfront unseres Kompostsilos und graben die obersten Schichten samt den darin befindlichen Würmern bis zur nahezu wurmfreien untersten Schicht ab und legen dieses noch „unfertige“ Material auf die Seite. Dann schaufeln wir den fertigen Wurmkompost bis zum Boden heraus. Der Kompostsilo ist nun komplett entleert und wir können ihn wieder mit den noch frischen abgenommen Wurmschichten befüllen. Bei einer ca. 1 x 1 m großen Wurmkompostierung ist diese Arbeit in einer halben Stunde geschafft. Zwischen März und Oktober erhalten wir so circa ein Drittel des Füllvolumens an Kompost.

Und im Winter? Wie alles in der Natur, verlangsamen sich auch die Lebensprozesse im Komposthaufen im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und darunter. Dem könnte man entgegenwirken, indem man die Wurmkompostanlage mit dickem Isoliermaterial  wie Kokosmatten, Korkplatten oder anderem Material, das in der Baubiologie zur Wärmedämmung heute eingesetzt wird umgibt. Jedoch: da wir im Winter keinen Kompostbedarf haben, warum stressen? Unsere Küchenabfälle werden auch im Winter in den Kompost oberflächlich eingebracht und mit den oben beschriebenen Zuschlagstoffen vermischt und abgedeckt. Das Abdeckvlies befreien wir bei Bedarf vom Schnee und wir werden sehen, kaum klettern die Temperaturen über 0 °C wird die Wurmfamilie wieder aktiv und breitet sich von tieferen Kernschichten wieder Richtung Oberfläche aus. Ab einem halben Kubikmeter Volumen kommt es nur bei Minusgraden unter 10 °C vor, dass das Material bis zum Kern durchfriert und dann haben die Würmer die Möglichkeit in tiefere Schichten zu fliehen.

Einen schönen Überblick zu Bedeutung und Lebensweise von Regenwürmern kann man sich auf http://www.regenwuermer.info/ verschaffen.


Florian Amlinger hat Agrarwissenschaften an der BOKU Wien studiert. Seit Jahrzehnten berät und kontrolliert er Kompostanlagen und beschäftigt sich mit Kompostier- und Bodenprozessen.
Er lebt in Niederösterreich und gibt sein Wissen in Kursen und Vorträgen weiter.

Mehr Infos gibt es auch unter: https://eu100ngo.net/